Interviews mit Kund:innen
Unsere Geschäftsführerin Kirsten Rohde im Gespräch mit der Verantwortlichen für Personalentwicklung & Diversity Ann-Kathrin Sobeck Martens über die erfolgreiche Zusammenarbeit von FLD mit dem Forschungsinstitut OFFIS e.V.
Kirsten Rohde
Ann-Kathrin, was ist das Umfeld in dem Unternehmen, in dem du dich bewegst? Magst du es mal kurz vorstellen und welche Herausforderung sich daraus ergeben für das Thema Gleichberechtigung?
Ann-Kathrin Sobeck-Martens
Wir sind ein An-Institut der Universität Oldenburg. Wir haben knapp 300 Mitarbeitende und ich verantworte die Personalentwicklung sowie die Bereiche Recruiting und Diversity. Wir haben in der Informatik schon immer die Herausforderung, dass es einen höheren Anteil an männlichen Absolventen gibt und wir daher auch deutlich mehr Bewerbungen von Männern als von Frauen oder von weiblich gelesenen Personen bekommen. Es wurde dann – auf Initiative unserer damals einzigen Vorständin Prof. Dr. Susanne Boll - zu einem Vorstandsanliegen, den Frauenanteil auf allen Ebenen im Institut zu erhöhen. Dazu gab es im Jahr 2020 eine Vorstandsinitiative, die auch erstmalig budgetiert wurde. So sind wir dann in das Thema als strategisches Projekt im Institut gestartet. Generell ist Frau Prof. Boll als Sponsorin auf Vorstandsebene eine wichtige Unterstützerin und Treiberin der Themen Gender Equality und Diversity.
Kirsten Rohde
Wie ist der Kontakt zu FLD zustande gekommen?
Ann-Kathrin Sobeck-Martens
Ebenfalls über Prof. Boll - sie ist auf die Angebote bei euch aufmerksam geworden und fand diese total ansprechend. Gerade der Gender Check war etwas, das uns sehr abgeholt hat, weil uns der globale Blick auf das gesamte Institut wichtig war: Also nicht nur kleinere Einzelmaßnahmen auszurollen, sondern erstmal eine Status-Quo Bestimmung zu machen und zu schauen, was schon da ist und wo wir gut ansetzen können. Das hat uns an der Stelle super abgeholt und war in der Durchführung toll.
Kirsten Rohde
Unser ganzheitlicher Beratungsansatz für mehr Mixed Leadership, der Gender Check, du hast ihn schon angesprochen, besteht aus einer Analysephase und daraus folgend einer Auswertung und Identifizierung von Handlungsfeldern, für die dann die entsprechenden Maßnahmen konzipiert und umgesetzt werden. Dabei werden insgesamt sowohl Artefakte als auch organisationskulturelle Aspekte berücksichtigt. In welchem Zeitraum wurde bei Euch der Gender-Check durchgeführt?
Ann-Kathrin Sobeck-Martens
Ende 2019 fanden die Vorgespräche statt und 2020 sind wir dann mit den ersten Interviews gestartet, die ihr durchgeführt habt. Insgesamt haben wir einen 5 Jahres Horizont für das Projekt angelegt.
Kirsten Rohde
Also ein eher mittel- bis langfristiges Projekt. Welche Maßnahmen wurden denn dabei priorisiert und als erstes angegangen?
Ann-Kathrin Sobeck-Martens
Gestartet sind wir mit den von euch durchgeführten Stakeholderinterviews auf allen Ebenen. Danach lag der Fokus auf dem Recruiting, weil wir der Meinung waren, dass die Ansprache von Frauen eben das eine ist, unser Recruitingauftritt, die Stellenanzeigen und das Wording aber auch wichtig sind. Plus die Workshops für die Führungskräfte, um die abzuholen, wie man Recruiting Gespräche auch anders führen kann, worauf man auch achten sollte, was sich vielleicht bei Männern und Frauen unterscheidet inklusive der unterschiedlichen Erwartungen und Wünsche wie z.B. in der Ansprache. Wir versuchen seitdem zum Beispiel immer eine Kollegin mit in das Gespräch zu nehmen, wenn wir Gespräche mit weiblichen Bewerberinnen führen. Das hilft uns, auf gewisse Aspekte nochmal besser zu achten, einen einfacheren Austausch zu ermöglichen und zu signalisieren, dass wir ein guter Arbeitgeber bzw. ein gutes Institut für Frauen sind. Das sind jetzt alles vermeintlich kleine Punkte, bei denen wir jedoch schon gemerkt haben, dass sich das direkt anders anfühlt. Die Kolleginnen, die dabei in den letzten Jahren eingestellt wurden, haben uns auch genau das zurückgemeldet. Sie fanden gut, dass sich unsere Ausschreibungen und Ansprachen von anderen unterscheiden.
Kirsten Rohde
Jetzt hast du insbesondere den Recruiting Prozess hervorgehoben, der ja gerade im Bereich der Informatik super wichtig ist, um in erster Linie genug weibliche Mitarbeitende an Bord zu bekommen oder auch überhaupt die Mitarbeiterschaft diverser zu gestalten. Es gab ja noch viele andere Maßnahmen, die umgesetzt worden sind. Hast du da vielleicht noch ein oder zwei Projekte, die du konkreter beschreiben möchtest?
Ann-Kathrin Sobeck-Martens
Also sehr erfolgreich war die Begleitung unseres Pilotprojektes „Tandemgruppenleitung“. Es war der erste Versuch, eines „Führungskräfte-Tandems“ und ja, das war so erfolgreich, dass wir direkt im Anschluss schon das nächste Tandem aufgleisen konnten. Grundsätzlich wurden unsere verschiedenen Workshop-Angebote, die wir neu geschaffen haben, gut angenommen. Ihr habt uns ebenfalls bei der Erstellung des Gender Equality Plans (GEP) begleitet und dadurch spielen jetzt ganz viele neue Dinge in unserem Alltag eine Rolle. Grundsätzlich haben wir nun eine deutlich höhere Gender Diversity, aber dadurch, dass einfach weniger Frauen in der Informatik einen Abschluss haben, bewirbt man sich ja automatisch um einen viel kleineren Pool. Da ist es uns nun schon gut gelungen, unsere Arbeitgebermarke zu verändern – unter anderem auch weil wir die anderen Diversitätsdimensionen sichtbar gemacht haben. Die Wahrnehmung in Oldenburg von uns ist inzwischen eine andere, weil wir uns dem Thema angenommen haben. Wir sind zudem im örtlichen Diversity-Netzwerk aktiv, sodass dort mittlerweile auch viele Kolleginnen mit einer ähnlichen Herausforderung auf uns zukommen.
Kirsten Rohde
Jetzt hast du die positiven Veränderungen nach außen angesprochen - ein Kernhandlungsfeld auch mit Blick auf das Recruiting und die Verbesserung der Sichtbarkeit und insgesamt das Employer Branding. Gab es auch positive Veränderungen innerhalb des Unternehmens? Inwieweit haben die einzelnen Maßnahmen dazu beigetragen, dass sich Dinge verändert haben und wenn ja, welche?
Ann-Kathrin Sobeck-Martens
Also wir haben inzwischen ein gut etabliertes Netzwerk unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen. Der Austausch wird dort immer besser und der Netzwerkgedanke an sich hat sich im Haus darüber noch weiter etabliert.
Ansonsten hat sich die Ansprache generell verändert. Das Bewusstsein für diese eine wichtige Diversitätsdimension hat die Türen auch für andere Diskussionen im Haus geöffnet. Wir sind auf dem richtigen Weg und die Zahlen zeigen den Erfolg auf fast allen Ebenen. Es sind Kleinigkeiten, über die man jetzt nicht mehr diskutiert. Eine Kollegin hat z.B. Boxen für Menstruationsprodukte designt, sodass wir jetzt seit einem halben Jahr auf den Toiletten kostenlose Menstruationsprodukte für unsere Kolleginnen zur Verfügung stellen. All solche Dinge werden nun anders konnotiert.
Als ich hier vor 20 Jahren angefangen haben, waren die Forschungsgruppen teils komplett von Männern besetzt. Das haben wir jetzt fast gar nicht mehr. Wir haben inzwischen sehr viele Wissenschaftlerinnen ins Haus holen können und das verändert natürlich den Diskurs, der für Academia ja besonders wichtig ist. Je vielfältiger der Diskurs, desto fundierter ist das Ergebnis. Und wir sehen dabei natürlich auch, dass diese unterschiedlichen Blickwinkel als Wert einfach geschätzt werden.
Wir haben nun auch Projekte mit anderen Themen-Schwerpunkten. In einem großen Projekt gibt es zum Beispiel ein Teilprojekt, bei dem Kolleg:innen eine App entwickelt haben, um den weiblichen Gesundheitszustand zu tracken. Alles rund um die weibliche Gesundheit ist ja aktuell ein großes Thema, weil die Datenlage an vielen Stellen eher schlecht ist. Diesem Thema hätten sich die Kollegen vielleicht nicht gewidmet, aber die Kolleg:innen, die die Erfahrungen ja auch selber machen bei ihren Arztbesuchen, natürlich schon. Also wird auch an solchen Stellen der Blick von uns auf Forschungsthemen weiblicher geprägt, wodurch wir letztendlich auch wieder breiter aufgestellt sind.
Kirsten Rohde
Spannender Punkt - vor allem wenn man das Buch Unsichtbare Frauen gelesen hat, in dem ja genau die mangelnde Datenbasis in Bezug auf die weibliche Medizinforschung sehr eindrücklich erläutert wird.
Jetzt hattest du schon die Datenlage angesprochen - auch ein wichtiger Teil des Gender Checks, dass zu Beginn erst mal erhoben wird, wie denn überhaupt die Zahlen-Daten-Fakten-Lage aussieht. Kannst du konkreter sagen wie sich prozentual der Anteil von Frauen auf den jeweiligen Hierarchie -und Mitarbeiterebenen verändert hat?
Ann-Kathrin Sobeck-Martens
Worauf wir natürlich sehr stolz sind, ist, dass wir inzwischen einen paritätisch besetzten Vorstand haben mit 2 männlichen und 2 weiblichen Vorstandsmitgliedern. Bei den Ebenen darunter haben wir fast keine Fluktuation, sodass diese nach wie vor fest in der Hand langjähriger Kollegen sind. Aber dann geht es los. Auf Gruppenleitungseben sind wir mit einem Frauenanteil von 5% gestartet. Inzwischen sind wir bei 28%. Bei den Wissenschaftler:innen konnten wir den Anteil von 26% auf 31% erhöhen und bei den studentischen Hilfskräften von 25% auf 39%. Bei der kaufmännischen und technischen Verwaltung ist das Verhältnis ausgeglichen. Insgesamt haben wir seit 2020 den Frauenanteil von 27% auf 36% erhöhen können. Die Idee war, bis 2025 eben bei 25% Frauenanteil möglichst auf allen Ebenen zu liegen. Das haben wir inzwischen auf fast allen Ebenen bereits erreicht.
Kirsten Rohde
Klingt nach einer tollen Erfolgsstory und auch schon nach einer Übererfüllung der Ziele vor Ablauf der Zeit. Das ist ja immer sehr, sehr gut und du hast ja schon beschrieben, welche positiven Auswirkungen es darüber hinaus gegeben hat. Gab es auch Herausforderungen in der Durchführung oder Widerstände oder andere Dinge, mit denen ihr umgehen musstet? Und wie habt ihr das gemacht?
Ann-Kathrin Sobeck-Martens
Also Widerstände gab es relativ wenig. Dadurch, dass die Erhöhung des Frauenanteils als Vorstandsprojekt ins Haus gegeben wurde, hatten wir das Backing der obersten Führungsebene, mit dem es sich natürlich wesentlich leichter an so einem Thema arbeitet. Ich musste nur ganz, ganz wenige, und wenn dann inhaltliche Diskussionen führen. Entscheidend und erleichternd bei der Umsetzung war wirklich der Rückhalt der hohen Führungsebene und das Budget. Klar gibt es immer Stimmen, die sagen, dass wir u.a. mit vielen internationalen Kolleg:innen ohnehin schon so divers aufgestellt seien und das quasi zu unserer akademischen DNA gehöre. Etwas, das beispielsweise sehr geholfen hat, war auch ein Leitfaden unserer Kommunikationsabteilung zu gendersensibler Sprache, sodass einfach klar wurde, dass das generische Maskulinum an vielen Stellen nicht reicht. Wir achten ebenfalls darauf, dass wir Podien vermehrt mit Frauen besetzen, weil es uns wichtig ist, dass wir es den Kolleginnen auch auf dieser Ebene ermöglichen, ihre Expertise zu zeigen. Auch in der Zusammenarbeit gibt es nun ein anderes Sprachverhalten. Tatsächlich hatten wir jedoch die großen Diskussionen an der Stelle nicht. Das habe ich auch als sehr angenehm empfunden. Bei der Organisation der Workshops für meine Führungskräfte war es auch eher eine Frage der Verfügbarkeit, als dass es inhaltliche Vorbehalte gegeben hätte. Sie sind alle sehr offen und finden eher, dass sie inhaltlich immer dazulernen und wir uns im Hinblick auf Diversity-Aspekte generell breiter aufstellen können.
Kirsten Rohde
Wenn du jetzt noch mal so zurück blickst auf den Gesamtprozess und die Zusammenarbeit. Wo war für euch als Institut die Zusammenarbeit mit FLD besonders hilfreich?
Ann-Kathrin Sobeck-Martens
Am Anfang vor allem durch die Strukturierung und den Gender Check. Mit der Datenerhebung zu schauen, wo wir denn überhaupt stehen und dann die Empfehlungen, was wir uns genauer anschauen sollten. Dass Recruiting ein zentrales Thema wird, war uns im Vorhinein schon relativ klar. Als wir angefangen haben, gab es zwar schon die Idee des Gender Equality Plans, jedoch war er noch nicht verpflichtend. So hatten wir die Möglichkeit, auch mit diesem Konstrukt zu wachsen und uns den Herausforderungen auf eine für unsere Institution sehr angenehme Art und Weise zu stellen, weil man immer wusste, wo es lang geht und was der nächste Schritt ist. Das war für uns in der Durchführung super, super hilfreich.
Kirsten Rohde
Sehr schön. Und wenn du eine Empfehlung für andere Unternehmen aussprechen würdest, die mit dem Thema noch ganz am Anfang stehen. Was könnten Sie vielleicht aus euren Beispielen lernen oder welche Empfehlung würdest du allgemein abgeben?
Ann-Kathrin Sobeck-Martens
Generell sollte man versuchen, eine Zahlenbasis zu schaffen. Es ist besser, wenn das Thema messbar gemacht wird. Das dient nicht nur als Argumentationshilfe, sondern auch der Erfolgsmessung. Das ist jetzt etwas spezieller, aber generell glaube ich, dass Feedback aus dem Haus etwas ganz Wesentliches ist, das man sich im Laufe des Prozesse immer wieder ganz gezielt einholen sollte. Und ein weiterer Tipp: Sprecht mit den Frauen, die schon da sind, bezieht sie ein und macht sie auch stärker sichtbar. Studentinnen meinten zu uns, dass sie vor allem zu uns gekommen sind, weil sie wussten, dass sie bei uns durch eine Frau betreut werden. Das fanden sie toll, dass sie eben auch an dieser Stelle das erste Mal auf ihrem Weg Rolemodels gefunden haben.
Kirsten Rohde
Gibt es irgendeine Frage, die ich noch nicht gestellt habe, die du aber gerne beantworten würdest? Oder etwas Allgemeines, die dir noch auf dem Herzen liegt im Bezug auf das Thema und die Vorgehensweise?
Ann-Kathrin Sobeck-Martens
Ich glaube, ein ganz wichtiger Teil unseres Projektes sind unsere Maßnahmen zum Female Empowerment. Gerade die jüngeren Kolleg:innen wissen diese sehr zu schätzen. Nicht nur die Weiterbildungen an sich oder den Raum für Austausch, den diese bieten, sondern einfach, dass man sie dadurch als Personen stärkt. Ja, ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Aspekt an der Stelle. Wir haben dadurch mehr Frauen, die sich trauen, sichtbarer zu werden und das öffnet die Tür wieder für andere.
Kirsten Rohde
Sehr schön. Ich danke dir ganz herzlich, Ann-Kathrin, für dieses Gespräch.