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Part-time = hard time?
Wie sich Teilzeitarbeit auf die Verwirklichung der Karriereambitionen auswirken kann
Die moderne Arbeitswelt unterliegt einem stetigen Wandel, der sich auch auf die Arbeitszeitmodelle auswirkt. Der Anteil der Menschen, die in Deutschland einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Mit 39,1% ist die Teilzeitquote in Deutschland im dritten Quartal 2023 so hoch wie nie1. Dabei ist der Anteil an weiblichen Teilzeitbeschäftigten mehr als viermal so hoch wie der Anteil männlicher Teilzeitbeschäftigter2. Eine Forsa-Umfrage von Januar 20233 zeigt auf, dass sich die Gründe für eine Teilzeitbeschäftigung zwischen Männern und Frauen unterscheiden: Während zwei Drittel der Frauen, die in Teilzeit arbeiten, diese Entscheidung zugunsten einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie treffen, reduzieren nur 38% der befragen Männer ihre Arbeitszeit aus diesem Grund. 42% der Männer nennen als wichtigste Gründe für die Arbeitszeitreduktion, dass sie mehr Zeit in Hobbys und andere Projekte investieren möchten. Diesen „Luxus“ gönnen sich gerade einmal 22% der befragten Frauen.
Während Teilzeitarbeit die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben unterstützen und damit Diversität, Inklusion und die Gleichstellung der Geschlechter in Organisationen fördern soll, kann sie auch hinderlich für die berufliche Entwicklung der Arbeitnehmenden sein. Die aktuelle Forschungslage deutet darauf hin, dass Teilzeitarbeit im Widerspruch zur Verwirklichung von Karriereambitionen stehen kann. Fachkräfte, die in Teilzeit arbeiten, haben weniger Zugang zu beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten als Vollzeitbeschäftigte4,5. Als Erklärung werden unter anderem normative Vorstellungen sowie institutionelle Normen in Betracht gezogen.
Eine gängige Erklärung für die eingeschränkte Laufbahnentwicklung von Teilzeitbeschäftigten liegt in einer stereotypen Sichtweise. Stereotypen Annahmen zufolge geht eine reduzierte Arbeitszeit mit geringeren Karriereambitionen6, einem geringeren Engagement für Arbeit und Karriere4 sowie einer eher "häuslichen" Orientierung einher7. Diese normativen Vorstellungen über Teilzeitbeschäftigte zeigen sich trotz gegenteiliger Beweise4,5,8,9 hartnäckig.
Darüber hinaus zeigt eine niederländische Studie10, dass Teilzeitbeschäftigten aufgrund bestimmter institutioneller Normen fälschlicherweise geringere Karriereambitionen zugeschrieben werden, was sich wiederum auf die professionellen Entwicklungsmöglichkeiten von Teilzeitbeschäftigten auswirken kann. Diese Normen umfassen unter anderem die physische Anwesenheit am Arbeitsplatz, eine Mindestanzahl an Arbeitsstunden sowie eine Vollzeitbeschäftigung zu einem frühen Zeitpunkt. Solche institutionellen Normen sind häufig eine Voraussetzung für Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb eines Unternehmens, allerdings widersprechen sie in der Regel einer Beschäftigung in Teilzeit.
Mit welchen Merkmalen werden stattdessen berufliche Ambitionen assoziiert? Berufliche Ambition wird v. a. mit einem jüngeren Alter, dem männlichen Geschlecht sowie Vollzeitarbeit in Verbindung gebracht. Dies entspricht einem traditionellen, männlichen Ernährer-Modell und stellt Teilzeitbeschäftigte im Allgemeinen, aber vor allem weibliche Beschäftigte, die ihre Karriereambitionen aufgrund von Care-Arbeit auf einen späteren Lebensabschnitt verschieben, vor große Herausforderungen. Folglich sind teilzeitarbeitende Frauen bei der Verwirklichung ihrer beruflichen Ambitionen mit besonders großen Hindernissen konfrontiert, da sie sich in mehrfacher Hinsicht kontrastereotyp verhalten.
Was hat es nun mit den institutionellen Normen auf sich, die offenbar bei der Gestaltung von Karrierewegen von Teilzeitarbeitenden eine entscheidende Rolle spielen?
In vielen Fällen sind diese Normen in den Organisationsstrukturen verankert und können dadurch zu Benachteiligungen von Teilzeitarbeitenden führen. Sowohl Vorgesetzte als auch Arbeitnehmende neigen dazu, von der Anzahl der Arbeitsstunden auf die beruflichen Ambitionen zu schließen und diese institutionalisierten Normen somit zu reproduzieren und zu verstärken10. Andererseits sind Akteure innerhalb der Organisation in der Lage, das vorherrschende Muster zu ändern, indem sie Leitbilder und positive Gegenbeispiele darstellen. Daher steht die Frage im Fokus, wie die Akteure in Organisationen mit diesen institutionellen Normen umgehen und damit die Umsetzung der beruflichen Ambitionen von Teilzeitarbeitenden beeinflussen.
Ein Wandel institutioneller Normen innerhalb von Unternehmen lässt sich zum Beispiel in den Niederlanden beobachten. So zeigt der niederländische Dienstleistungssektor die allmähliche Entstehung alternativer zeitlicher Strukturen. Diese ermöglichen eine Karriereentwicklung im späteren Lebensalter, zum Beispiel durch umfangreichere Teilzeitjobs bei flexiblen Arbeitszeiten. Im Gesundheitssektor hat die Dominanz von Teilzeitbeschäftigten die Anzahl der Arbeitsstunden pro Woche, die für die berufliche Entwicklung und den Aufstieg in leitende Positionen erforderlich sind, reduziert. Im privaten Finanzdienstleistungssektor hat die Nutzung der elektronischen Kommunikation die Nachfrage nach Teleheimarbeit erhöht und die institutionalisierten Normen über die sichtbare Anwesenheit am Arbeitsplatz verändert10.
Institutionalisierte Normen in Organisationen können sich also ändern, wenn sich Organisationen an gesellschaftliche Anforderungen und internen Druck anpassen. Bereits „kleine Maßnahmen“ durch Organisationsmitglieder (z.B., wenn ein:e Vorgesetzte:r die Fähigkeit von Teilzeitbeschäftigten zur Erfüllung einer Aufsichtsfunktion erkennt) haben das Potenzial, zum Entstehen alternativer Zeitstrukturen beizutragen.
Die Ergebnisse der niederländischen Studie10 zeigen, dass Karriereambitionen nicht mit beruflichem Engagement zu einem Zeitpunkt (im Sinne einer Vollzeitbeschäftigung zu Beginn des Lebens), mit physischer Anwesenheit oder der Übernahme zusätzlicher Aufgaben gleichgesetzt werden können. Reduzierte Arbeitszeiten sollten nicht so ausgelegt werden, dass sie weniger Engagement für die Arbeit und einen Mangel an Interesse an einer langfristigen beruflichen Entwicklung anzeigen.
In Deutschland, wo der Anteil der Teilzeitarbeitenden stetig ansteigt, ist es daher von großer Bedeutung, die Herausforderungen und Chancen dieser Arbeitsform zu verstehen. Es ist an der Zeit, dass sich Arbeitgebende und Entscheidungsträger:innen intensiver mit den institutionellen Normen auseinandersetzen, um eine faire und förderliche Arbeitsumgebung für alle Mitarbeitenden zu schaffen.
Dafür braucht es ein Mindset, das die Fähigkeit zu Vielfalt fördert. Wir von FLD unterstützen Unternehmen mit unserem Gender Check bei der Identifikation dieser einschränkenden Normen und bei der Implementierung von genderfairen Prozessen und Strukturen, die notwendig sind, um die Karriereentwicklung von Teilzeitarbeitenden unabhängig vom Geschlecht zu gewährleisten.
QUELLEN
1 https://iab.de/presseinfo/iab-arbeitszeitrechnung-drittes-quartal-2023/
3 https://www.new-work.se/de/newsroom/pressemitteilungen/2023-forsa-studie-zum-weltfrauentag
4 Tomlinson, J. (2006). Part-Time Occupational Mobility in the Service Industries: Regulation, Work Commitment and Occupational Closure. The Sociological Review, 54(1), 66-86. https://doi.org/10.1111/j.1467-954X.2006.00602.x
5 Durbin, S., & Tomlinson, J. (2010). Female part-time managers: networks and career mobility. Work, Employment and Society, 24(4), 621-640. https://doi.org/10.1177/0950017010380631
6 Pas, B., Peters, P., Eisinga, R., Doorewaard, H., & Lagro-Janssen, T. (2011). Explaining career motivation among female doctors in the Netherlands: the effects of children, views on motherhood and work-home cultures. Work, Employment and Society, 25(3), 487-505. https://doi.org/10.1177/0950017011407973
7 Walsh, J. (1999). Myths and Counter-Myths: An Analysis of Part-Time Female Employees and Their Orientations to Work and Working Hours. Work, Employment and Society, 13(2), 179-203. https://doi.org/10.1177/09500179922117908
8 MacDermid, S. M., Dean Lee, M., Buck, M., & Williams, M. L. (2001). Alternative work arrangements among professionals and managers: Rethinking career development and success. Journal of Management Development, 20(4), 305-317. https://doi.org/10.1108/02621710110388965
9 Lane, N. (2004). Women and part‐time work: the careers of part‐time NHS nurses. British Journal of Management, 15(3), 259-272. https://doi.org/10.1111/j.1467-8551.2004.00418.x
10 Bleijenbergh, I., Gremmen, I., & Peters, P. (2016). Timing ambition: How organisational actors engage with the institutionalised norms that affect the career development of part-time workers. Scandinavian Journal of Management, 32(4), 179-188. https://doi.org/10.1016/j.scaman.2016.08.004