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Schafft die EU-weite Geschlechterquote Gleichheit in Führungspositionen?

Goodbye Glass-Ceiling: Vielen Unternehmen ist bewusst, dass der Frauenanteil in Leitungsorganen und Führungspositionen kein Selbstläufer ist und ohne ein proaktives Eingreifen nur minimal voranschreitet.
Es ist klar, dass es drastischer Veränderung, zielführenden Maßnahmen und weiteren Anstrengungen (Holst & Kirsch, 2014) bedarf, um dieses Narrativ zu ändern und eine egalitäre Besetzung von Führungspositionen zu realisieren.

Laut der Europäischen Kommission sind derzeit nur 13,7 % der Sitze in den Leitungsorganen der größten börsennotierten Gesellschaften von Frauen besetzt, rund 15 % der nicht geschäftsführenden Direktorinnen und Direktoren in der EU sind weiblich (Eur-Lex, 2022). Im direkten Vergleich zu anderen Bereichen, wie dem öffentlichen Sektor, ist die Unterrepräsentanz von Frauen in der Leitung börsennotierter Gesellschaften extrem ausgeprägt. Laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, soll die europaweite Geschlechterquote dieses Problem beheben, denn „es gibt viele Frauen, die für Spitzenjobs qualifiziert sind: Sie sollten sie auch bekommen können“ (Europäische Kommission, 2022).

Um die Zahlen zu ändern und eine paritätische Besetzung dieser Posten zu erreichen, einigte sich das EU-Parlament im vergangenen Jahr auf eine neue, EU-weite Geschlechterquote für EU-börsennotierte Unternehmen, welche bis 2026 für einen Frauenanteil von mindestens 40 % in Aufsichtsräten oder für mindestens 33% in Aufsichtsräten und Vorständen vereint, sorgen soll. Unternehmen, welche diese Ziele nicht erreichen, müssen bei der Ernennung ihrer Direktorinnen und Direktoren transparente und geschlechtsneutrale Kriterien anwenden. Darüber hinaus müssen sie im Falle von zwei Kandidierenden unterschiedlichen Geschlechts und gleicher Qualifikation das unterrepräsentierte Geschlecht priorisieren. Mit einem Frauenanteil von weniger als 30% in Aufsichtsräten und Vorständen sind 144 der 160 deutsche börsen- und 23 im Regulierten Markt notierte Unternehmen von der Quote betroffen (Women-on-Board-Index 185 III, 2022).

Auswirkung auf deutsche Unternehmen

Nach der Einführung des Gesetzes zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern in Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG) im Jahr 2015, einigte sich die Große Koalition Ende 2020 (FüPoG II) zunächst auf eine dDeutschlandweite Geschlechterquote, welche eine mindestens 30%ige weibliche Besetzung in Aufsichtsräten großer deutscher Unternehmen festlegt (BMFSJ). Der neue Beschluss des EU-Parlaments baut somit mit einer Erhöhung der Quote auf den deutschen Vorschriften auf.
Jedoch gelten die deutschen Regelungen diese sowohl für geschäftsführende als auch für nicht geschäftsführende Positionen, während die EU-weite Quote nur geschäftsführende Positionen betrifft. Zudem unterscheiden sich auch die Durchsetzung und Sanktionierung: Die EU-weite Geschlechterquote ist stellt eine verbindliche Vorgabe dar, , und Unternehmen, die die Zielvorgabe nicht erfüllen, können mit Geldbußen oder anderen Sanktionen belegt werden. Die bisherigen deutschen Vorschriften schreiben keine strengen Sanktionen bei einem Verstoß vor, weshalb der Fortschritt im Vergleich zu anderen Ländern nur schleichend geschieht (DIW, 2019). In Ländern wie Norwegen, stieg der Frauenanteil in Führungspositionen durch strikte Sanktionen beispielsweise von 20 auf 40 Prozent (European Institute for Gender Equality,).

Prozesse und Strategien

Für die Auswahl von Aufsichtsratsmitgliedern gelten laut der Europäischen Kommission eine Reihe von verbindlichen Vorgaben für Unternehmen, welche das Quotenziel noch nicht erreicht haben. Sind Bewerber:innen gleichermaßen qualifiziert, muss der zu vergebende Posten mit dem jeweils unterrepräsentierten Geschlecht besetzt werden. Bewerber:innen, die nicht zum Zuge kamen, können verlangen, dass das Unternehmen offenlegt, welche Eignungskriterien den Ausschlag gegeben haben. Bei Verdacht, dass ein:e Bewerber:in des unterrepräsentierten Geschlechts gleichermaßen qualifiziert war, muss das Unternehmen außerdem nachweisen können, dass gegen keine der geltenden Vorgaben verstoßen wurde.
Sie müssen sich zudem individuell dazu verpflichten, eine ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern in ihren Vorständen zu erreichen. Unternehmen, welche das Ziel der Richtlinie nicht erfüllen, müssen die betreffenden Gründe gegenüber ihrer Landesregierung angeben und mitteilen, mit welchen konkreten Maßnahmen sie Abhilfe schaffen wollen (Europäische Kommission, 2022).

Konkrete Maßnahmen

Die EU-Geschlechterquote gilt für alle in der EU börsennotierten Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten. Je nach Größe des Unternehmens legt die EU-Frauenquote ein bestimmtes Ziel für die Anzahl der Frauen fest, die im Vorstand vertreten sein müssen. Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten müssen beispielsweise einen Frauenanteil von mindestens 40% im Vorstand anstreben (Europäische Kommission, 2022).
Die betroffenen Unternehmen müssen zunächst einen Plan entwickeln, um die Zielvorgaben für die Anzahl der Frauen im Vorstand zu erreichen. Dies kann von der Festlegung spezifischer Ziele und Fristen sowie der Durchführung von Maßnahmen wie Schulungsprogrammen oder gezielten Rekrutierungsbemühungen mehrere Lösungsansätze beinhalten.
Im Anschluss muss jährlich über die Fortschritte bei der Erfüllung der Genderquote berichtet werden. Dieser Bericht kann die Vorlage von sollte Informationen über die Anzahl der Frauen im Vorstand und die Maßnahmen zur Erreichung des Ziels beinhalten (Süddeutsche, 2018).
Um die EU-Genderquote einzuhalten, müssen die Unternehmen gesamt einen proaktiven Ansatz verfolgen, um die Vertretung von Frauen in ihren Vorständen zu erhöhen, und ihre Fortschritte dabei transparent darstellen.

Ein erster Schritt, um passgenaue Maßnahmen für Unternehmen zu identifizieren, ist der von uns durchgeführte Gender-Check. Dieses mehrstufige Verfahren umfasst die Erhebung von Daten zu Gender-Fakten und Gender-Culture im Unternehmen, um systematische Erschwernisse und Biases zu identifizieren. Ziel des Verfahrens ist es, bedeutende Hindernisse für Gender-Equality auf organisationskultureller Ebene zu erfassen. Anschließend werden individuelle Handlungsfelder identifiziert und weitere Vorgehensweisen empfohlen. Darüber hinaus begleiten wir unsere Kundinnen und Kunden bei der Umsetzung der abgeleiteten Maßnahmen, wodurch konkrete Anforderungen, wie die der EU-Quote, gezielt umgesetzt werden können.

Keine Eile geboten?

Da der Beschluss erst von allen EU-Mitgliedsländern in nationales Recht übertragen werden muss, sind zum jetzigen Zeitpunkt noch keine konkreten Sanktionen für langfristige Verstöße gegen die neuen Maßnahmen bekannt. Das heißt allerdings nicht, dass die Unternehmen abwarten sollten.
Denn der von dem jeweiligen Unternehmen gewählte Vorstand könnte von einem Gericht für nichtig erklärt werden, wenn dieser gegen die Grundsätze der Richtlinie verstößt (Germany Representation, 2022). Darüber hinaus sind Unternehmen, die frühzeitig mit der Förderung von Gender Equality begonnen haben im Vorteil. Denn es geht vor allem um eine Veränderung von Unternehmens- und Führungskultur, also einen langfristigen Organisationsentwicklungsprozess.

Fazit

Ob bis 2026 die anvisierten 40% in allen betroffenen Unternehmen tatsächlich umgesetzt werden, ist fraglich, jedoch verspricht der Beschluss der EU-Quote einen Ausgleich zwischen den verschiedenen EU- Mitgliedsländern und deren Umsetzung verschiedener Gleichstellungskriterien (EIGE, 2022). Der Zugzwang, in den Unternehmen durch die Genderquote geraten, schafft mehr Transparenz für Bewerber:innen in den Auswahlprozessen der Unternehmen und ermöglicht vielen qualifizierten Bewerberinnen eine faire Chance für den Einstieg in die Führungsebene. Die Geschlechterquote ist ein richtiger Ansatz zur Förderung für von Gender-Equality, darüber hinaus liegt es an den Unternehmen weibliche Talente stärker zu fördern und die Kriterien auch auf allen anderen Ebenen durchzusetzen.

 

Quellen:

Holst, E. Kirsch, A. (2014) Frauen sind in Vorständen großer Unternehmen in Deutschland noch immer die Ausnahme: Moderat steigende Anteile in Aufsichtsräten. DIW Wochenbericht 1860-8787 81 2014 3 19-31, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin.

European Institute for Gender Equality. (2022) Datenbank „Women and Men in Decision Making“. https://eige.europa.eu/gender-mainstreaming/toolkits/gear/gender-balance-leadership-and-decision-making

Women on Board Index. (2022) WoB Index 185 II. https://wob-index.de/wob185.html

Arndt, P. Wrohlich,K. (2019) DIW Wochenbericht 38, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin https://www.diw.de/de/diw_01.c.678541.de/publikationen/wochenberichte/2019_38/geschlechterquoten_im_europaeischen_vergleich_harte_sanktionen_bei_nichteinhaltung_sind_am_....html

EUR-Lex (2023) Website https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=celex:52012PC0614

BMFSFJ (2011) Mehr Frauen in Führungspositionen in der Privatwirtschaft, Website des BMFSJ https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/frauen-und-arbeitswelt/quote-privatwitschaft/mehr-frauen-in-fuehrungspositionen-in-der-privatwirtschaft-78562

Europäisches Parlament. (2022) Parlament nimmt bahnbrechende Regeln für mehr Gleichstellung in Vorständen an, Pressemitteilung des Europäischen Parlaments https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20221118IPR55706/parlament-nimmt-bahnbrechende-regeln-fur-mehr-gleichstellung-in-vorstanden-an

Europäische Kommission (2022) EU einigt sich auf Geschlechterquote in Vorstandsetagen, Presseartikel der Europäischen Kommission https://germany.representation.ec.europa.eu/news/eu-einigt-sich-auf-geschlechterquote-vorstandsetagen-2022-06-08_de

Süddeutsche Zeitung (2022) EU-Frauenquote für Aufsichtsräte endgültig beschlossen , Süddeutsche Zeitung Online Magazin https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/arbeit-eu-frauenquote-fuer-aufsichtsraete-endgueltig-beschlossen-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-221122-99-618676

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