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SIE ist da: die "Frauenquote" für Vorstände

Nach langem Diskurs haben sich die Parteien der Regierungskoalition Ende Mai 2021 auf die Inhalte des „Zweiten Führungspositionen-Gesetz“ verständigt. In Vorständen börsennotierter Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern muss künftig mindestens eine Frau sitzen. Der Bundestag soll dies noch im Juni verabschieden.

Wir schauen im Folgenden auf die aktuellen Fakten und beleuchten das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven:

Die gesetzliche Entwicklung

Bereits 2015 wurde durch das „Erste Führungspositionen-Gesetz“ festgelegt, dass die Aufsichtsräte börsennotierter, mitbestimmter Unternehmen zu 30 Prozent mit Frauen zu besetzen. Börsennotierte oder mitbestimmte Unternehmen sind seitdem verpflichtet, für ihre Aufsichtsräte, Vorstände und oberen Leitungsebenen selbstgewählte Zielgrößen zu definieren.

Nun wurden mit dem „Zweiten Führungspositionen-Gesetz“ umfassende Neuregelungen und Ergänzungen beschlossen.

Keine Quote, sondern eine Mindestbeteiligungsgebot

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes gilt für börsennotierte und zugleich paritätisch mitbestimmte Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten (d.h. für aktuell knapp 70 Unternehmen), dass der Vorstand mit mindestens einer Frau und einem Mann zu besetzen ist, wenn er aus mehr als drei Mitgliedern besteht.

Somit legt das Gesetz keinen bestimmten, prozentualen Anteil fest, sondern gibt ein fixes Mindestbeteiligungsgebot vor. Tatsächlicher Handlungsbedarf ergibt sich nur für weniger als die Hälfte der, von der Neuregelung erfassten Unternehmen. Denn viele Konzerne haben bereits eine Frau im Vorstand. Diese gut 30 Unternehmen mit aktuell rein männlichen Vorstände müssen künftig (nach einer Übergangsfrist von zwölf Monaten ab Inkrafttreten der Änderung) bei der Bestellung von Vorstandsmitgliedern die neuen Vorgaben einhalten – andernfalls ist die Bestellung unwirksam.

Strengere Regelungen für die öffentliche Hand

Firmen mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes unterliegen strikteren Vorgaben. Dort muss eine Frau in einem Vorstand mit mehr als zwei Mitgliedern vertreten sein. Bei den Körperschaften des öffentlichen Rechts wie Renten- und Unfallversicherungsträgern, Krankenkassen sowie bei der Bundesagentur für Arbeit wird ebenfalls eine Mindestbeteiligung eingeführt. Ab zwei Vorständen muss eine davon eine Frau sein.

Zielquote null ist weiterhin erlaubt – mit Begründung

Börsennotierte oder mitbestimmte Unternehmen, die nicht unter das o.g. Mindestbeteiligungsgebot fallen, müssen weiterhin für ihre Aufsichtsräte, Vorstände und oberen Leitungsebenen nur selbstgewählte Zielgrößen festlegen. Diese Zielvorgabe kann nach wie vor auch „Null“ lauten – einzige Ausnahme: es besteht bereits ein höherer Frauenanteil.

Einzige Neuregelung des Gesetzesentwurfs, ist hier die Einführung einer sanktionsbewehrten Begründungpflicht. Eine „Zielquote Null“ Beschluss muss künftig unter Darlegung der Beweggründe gefasst werden.

Damit sollen Unternehmen aktive Überlegungen zur Gewinnung weiblicher Führungskräfte anstellen und durch die Veröffentlichung Transparenz und Verbindlichkeit schaffen. Neben dem hierdurch intendierten öffentlichen Druck drohen Unternehmen, welche sich die Zielgröße Null ohne ausreichende Begründung setzen, empfindliche Bußgelder.

Deutlich strengere Vorgaben erwartet nach dem Entwurf Unternehmen, an denen der Bund mehrheitlich beteiligt ist, sowie Körperschaften im Bereich der Sozialversicherung. Dort sind bereits bei drei- beziehungsweise zweiköpfigen Leitungsorganen mindestens eine Frau und ein Mann zu beteiligen.

Familienzeit auch für Vorständ:innen

Die neue gesetzliche Regelung will dazu beitragen, dass auch in den Vorstandsetagen Kind und Karriere und damit die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zur Normalität werden kann.. Auszeiten bis zu drei Monate etwa für Elternzeit, Pflege von Angehörigen oder Krankheit dürfen Vorstandsmitgliedern künftig nur dann versagt werden, wenn dem "wichtige unternehmerische Interessen" entgegenstehen.  

Was kann die Quote bringen?

Selbstverpflichtungen der Wirtschaft und auch die erwähnte Zielquote verdiente bei einer Betrachtung der Entwicklung der letzten Jahre allenfalls die Zeugnisnote „hat sich stets bemüht“. Denn der Frauenanteil auf Vorstandsebene hat sich seit 2015 nur minimal erhöht. Dabei ist der Nutzen von diversen Führungsteam v.a. bezüglich wirtschaftlichem Erfolg und Innovationskraft hinlänglich erforscht und bekannt.

Die verbindliche Quote in den Aufsichtsräten hingegen führte zum Ergebnis, das inzwischen der Frauenanteil bei ca. 35% liegt. Fixe gesetzliche Quoten, deren Nichterfüllung Sanktionen nach sich ziehen, werden in aller Regel auch erfüllt.

Quoten erhöhen offensichtlich Druck und Tempo für angestrebte Veränderungen. Darüber hinaus zwingen Quoten zu einem Umdenken, vor allem, wenn bisher noch wenig für Gender Diversity getan wurde. Jetzt profitieren Unternehmen, welche die „Pipeline“ bereits auf den unteren Hierarchiestufen gut gefüllt haben. Während andere Unternehmen diese Aufbauarbeit erst jetzt beginnen und sich auf dem Arbeitsmarkt um weibliche Talente bemühen müssen, geht es bei den anderen vor allem darum, die „Leaky Pipeline“ zu schließen, so dass die Frauen auf dem Weg nach oben nicht verloren gehen.

Hier kann die Quote helfen, nachhaltig Phantasie, Energie und Ausdauer in diese Bemühungen zu investieren. Denn es geht um nicht weniger als die Beseitigung von strukturellen Hindernissen und einen Kulturwandel, der u.a. die Überwindung von Geschlechterrollenstereotypen erfordert. Eine Quote kann halbherzige Versuche und schnelle Aufgabe verhindern.

Wird mit der Quote alles gut?

Nein.  Zum einen ist die Reichweite der gesetzlichen Neuregelung mit betroffenen 70 Unternehmen bzw. einer bloßen Begründungspflicht überschaubar.

Zum anderen wird auch eine umfassendere Quote nicht unmittelbar zu Chancengleichheit im Berufsleben führen. Für eine nachhaltige Veränderung bedarf es noch mehr Frauen, die Spitzenpositionen aktiv anstreben und sich von strukturellen Hindernissen, Unconscious Bias und Vorurteilen nicht entmutigen lassen. Langfristig bedeutsamer ist allerdings eine Unternehmenskultur, in der eben diese Hindernisse nicht mehr bestehen und in welcher Karrieren für Menschen jenseits des Führungsstereotyps ermöglicht und gefördert werden.

Dabei können gesetzliche Quoten und andere Rahmenbedingungen durchaus als Impulsgeber für die Weiterentwicklung der Unternehmen dienen. Vom Gesetzgeber sind auch künftig weitere Impulse für mehr Frauen in Führung zu erwarten.

Nicht nur deshalb – unabhängig von der Quote - darf das Thema Gender Diversity in keiner Personalstrategie fehlen.

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