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Unconscious Bias - implizite Vorurteile erkennen und reduzieren

Wir teilen Menschen in soziale Gruppen ein, bewerten sie aufgrund dieser Gruppen und behandeln sie auch dementsprechend. Dieser Prozess findet meist ganz automatisch und jenseits unseres Bewusstseins statt. Ursächlich hierfür sind oft sogenannte Unconscious Bias. Dabei handelt es sich um eine automatisch auftretende unbewusste kognitive Voreingenommenheit bzw. Wahrnehmungsverzerrung. Unconscious Bias beeinflussen unser aller Berufsalltag. Dies betrifft die Art wie wir denken und entscheiden, sowie die Weise, wie wir mit unseren Kolleginnen und Kollegen umgehen.

Unbewusste Gender Bias sind nach wie vor ein großes Hindernis für den beruflichen Aufstieg von Frauen. So werden für Frauen andere Maßstäbe angesetzt als für Männer. Der Double Bind Gender Bias ist vor allem in männlich-dominierten Feldern gut sichtbar. Frauen, die darin stereotyp weibliche Verhaltensweisen annehmen, werden sehr wohlwollend betrachtet – allerdings wird ihre Leistung oft herabgewürdigt („Sie ist wirklich sehr nett, aber für eine wissenschaftliche Karriere hat sie einfach nicht den nötigen Biss.“). Wenn sich Frauen hingegen nicht dem weiblichen Stereotyp entsprechend, als nicht „feminin“ genug verhalten, wird oft die Persönlichkeit in Frage gestellt: „Oh ja, sie ist sehr selbstbewusst, fast schon ein bisschen aggressiv.“ Dies ist nur ein Beispiel für die unbewusste genderspezifische Voreingenommenheit. Diese Bias beeinflussen die Zuschreibung von Aufgaben, Beurteilungssituationen, Einstellungs- und Beförderungsentscheidungen und können somit eine Barriere für die Karriere von Frauen darstellen.

Unconscious Bias entstehen aufgrund der effizienten Arbeitsweise unseres Gehirns. Das Einteilen unserer Welt in Schubladen und das Einsortieren von Personen und Erlebnissen in diese, spart sowohl Zeit als auch kognitive Kapazität. Dabei entstehen nicht immer negative Verzerrungen, doch manchmal bringen uns diese mentalen Abkürzungen auf die falsche Fährte. Allerdings können wir bewusst korrigieren – unter anderem durch das Wissen über Unconscious Bias, auch wenn das allein noch nicht genügt. Mit dieser Reihe stellen wir Ihnen einige der wichtigsten Biases vor:

Anker Effekt
Unter dem Anker Effekt versteht man die Tendenz, sich von einem Referenzpunkt, also einem Anker, leiten zu lassen. Dieser Effekt tritt auf, wenn wir uns zu sehr auf die erste Information verlassen, die wir wahrgenommen haben. Dies ist zum Beispiel bei Gehalts- oder Preisverhandlungen zu beobachten. Das erste Angebot wird als Anker gesetzt, an dem sich weitere Vorschläge orientieren. Der gesetzte Referenzpunkt beeinflusst also maßgeblich das weitere Geschehen. So kann es für Mitarbeiterinnen in ihren Beurteilungsgesprächen einen negativen Einfluss haben, zuerst ihre Selbsteinschätzung zu nennen, da Frauen tendenziell bescheidener sind und somit einen niedrigeren Anker für die Führungskraft setzen.

Attraktivitätsbias
Der Attraktivitätsbias beschreibt die Präferenz, Bevorzugung sowie positive Stereotypisierung und Bewertung von als attraktiv angesehenen Personen. Daraus entwickelte sich auch der Begriff „Lookism“, der die Diskriminierung aufgrund des äußeren Erscheinungsbilds beschreibt. Eine Vielzahl von Studien zeigt außerdem einen Halo-Effekt bei physischer Attraktivität: Attraktive Personen werden nicht nur als verantwortungsvoller und ehrlicher, sondern auch als intelligenter eingeschätzt.

Ähnlichkeitsbias / Mini-Me-Effekt / Similar to me
Dieser Bias beschreibt, dass wahrgenommene Ähnlichkeit mit erhöhter Sympathie einhergeht. Das bedeutet, dass wir Personen, die uns ähnlich sind und die Eigenschaften, Merkmale sowie bestimmte Interessen mit uns teilen, positiver bewerten. Oft fühlen wir uns in der Nähe dieser Menschen auch wohler. Der Ähnlichkeitsbias folgt also dem Motto „Gleich und gleich gesellt sich gern“. Dieser Bias wird beispielsweise bei Einstellungsprozessen problematisch, da er den Schritt zu mehr Diversität behindert. Wenn ein Vorstand zu großen Teilen männlich besetzt ist, was in der Tat ein typisches Phänomen ist, besteht die Tendenz, aufgrund der oberflächlichen Ähnlichkeit, weitere Männer in einem ähnlichen Alter zu rekrutieren. Laut der McKinsey-Studie "Women in the workplace" aus dem Jahr 2019 kommen auf 100 Männer, die in eine Führungsposition befördert werden, nur 72 Frauen, die die gleichen Aufstiegschancen haben. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass diese Entscheidungen in erster Linie von Männern getroffen werden.

Blind Spot Bias
Der Blind Spot Bias beschreibt die „Verzerrungsblindheit“. Dieser liegt vor, wenn wir davon ausgehen, wir seien unbeeinflusst von den genannten Bias und unsere Wahrnehmung sei unverzerrt. Doch ein toter Winkel besteht bei der Wahrnehmung und Beurteilung anderer ebenso wie der blinde Fleck im Auge. Ein höherer Bildungsgrad macht hier leider keinen Unterschied, sondern lässt uns nur eloquenter argumentieren, dass wir (vermeintlich) objektiv seien. Mit dem Harvard Implicit Association Test (IAT) können Sie Ihre Blind Spots überprüfen. Bestehen für Sie implizite Assoziationen zwischen Frauen und Familie und zwischen Männern und Karriere? Testen Sie sich selbst: https://implicit.harvard.edu/implicit/user/agg/blindspot/indexgc.htm

Confirmation Bias / Bestätigungstendenz
Der Confirmation Bias ist die Neigung, Informationen zu suchen, so auszuwählen und zu interpretieren, dass sie zu den eigenen Einstellungen und Erwartungen passen. Diese Verzerrung beeinträchtigt die Fähigkeit, kritische Denkprozesse durchzuführen und damit auch die objektive Urteilsbildung. Ein ähnliches Phänomen ist das positive Testen. Dies beschreibt die Tendenz, nur Werte und Ereignisse zu überprüfen, die bereits aufgetreten sind oder der eigenen Ansicht und Erwartung entsprechen. Ein weiterer Bias, der eine ähnliche Verzerrung beschreibt, ist die selektive Wahrnehmung. Bei der selektiven Wahrnehmung werden nur bestimmte Aspekte, die für einen selbst relevant sind oder die eigene Ansicht bestätigen, wahrgenommen, während anderes ausgeblendet wird.

Fundamentaler Attributionsfehler
Bei dem fundamentalen Attributionsfehler handelt es sich um die Tendenz, den Grund für ein Verhalten auf die Person zu attribuieren und dabei die Bedeutung der Situation zu unterschätzen. Dieser Bias beschreibt also die unzureichende Berücksichtigung von Kontexteinflüssen zugunsten dispositioneller Erklärungen. Dieser könnte beispielsweise vorliegen, wenn Ihnen im Flur eine Arbeitskollegin entgegenkommt, die nur schroff auf Ihre Begrüßung reagiert und Sie daraus schlussfolgern, dass die Kollegin unfreundlich und unsympathisch ist und Sie dabei die Bedeutung der Situation unterschätzen. Möglicherweise war er/sie gestresst oder hatte einen schlechten Tag oder gar einen Notfall. Peturson et al. (2011) zeigten in ihrer Studie, dass positive Attribute bei Frauen, anders als es der fundamentale Attributionsfehler beschreibt, nicht auf dispositionelle Faktoren, sondern auf die Umstände zurückgeführt werden. Dies geht einher mit dem Befund, dass wir dazu neigen, Frauen weniger Anerkennung für ihre Leistung zu geben, da Frauen stereotypisch als weniger kompetent angesehen werden als Männer.

Halo Effekt
Halo kommt aus dem Englischen und bedeutet „Heiligenschein“. Unter dem danach benannten Bias versteht man das Phänomen, dass die Bewertung eines herausragenden Merkmals auf die Bewertung anderer Merkmale ausstrahlt. Personen neigen dazu, von diesen beobachteten, herausragenden Merkmalen auf unbekannte Merkmale zu schließen. Wenn eine Person also als sehr sympathisch wahrgenommen wird, kann das dazu führen, dass sie gleichzeitig auch als sehr engagiert und hilfsbereit eingeschätzt wird, noch bevor man diese Eigenschaften überhaupt beurteilen kann. Dies lässt sich auch auf negative Merkmale übertragen. Der Effekt, dass Handlungen einer in einem negativen Licht stehenden Person tendenziell als negativ interpretiert werden, während positive Dinge nicht gesehen oder gar angezweifelt werden, bezeichnet man als Horn-Effekt.

Hindsight Bias / Rückschaufehler
Unter dem Hindsight Bias versteht man das Phänomen der Verzerrung der eigenen Prognose, sobald das tatsächliche Ergebnis feststeht. Wir neigen dazu, die Vorhersehbarkeit eines Ereignisses im Nachhinein zu überschätzen, ganz nach dem Motto „Hab ich doch gleich gesagt…“?)

Kontrastfehler
Unser Urteil hängt stark vom Kontext ab. Diesen ziehen wir nämlich häufig als Vergleichsstandard heran. So wird ein Objekt positiver bewertet, dem ein schlecht bewertetes Objekt vorausgeht, als wenn es ohne dieses dargeboten wird und es wird negativer bewertet, wenn ihm ein positiv bewertetes Objekt vorausgeht. Achtung: Sowohl hier als auch beim Anker Effekt gilt, dass eine bessere Leistung oder ein besseres Produkt nicht automatisch gut sein muss.

Overconfidence Bias
Das Overconfidence Bias wird auch als Selbstüberschätzung bezeichnet. Dies beschreibt die Tendenz der Überschätzung der eigenen Fähigkeiten und Leistungen. Dies kann sich in drei verschiedenen Arten äußern. Zum einen kann man seine eigene Leistung überschätzen. Zum anderen kann man auch die eigene Leistung im Vergleich zu anderen überschätzen. Selbstüberschätzung kann sich drittens auch auf das eigene Wissen beziehen. Es ist zu beobachten, dass sich Personen vor allem in Aufgaben überschätzen, die gut einzuüben sind, während sie sich in schwierigen Aufgaben tendenziell unterschätzen.

„Es ist einfacher, einen Atomkern zu spalten als ein Vorurteil."
-    Albert Einstein

… und dennoch möchten wir Sie dazu ermutigen, genau dies zu versuchen. Das Wissen um die Existenz und Wirkungsweise von Unconscious Bias und damit das Schaffen von Bewusstsein ist ein erster wichtiger Schritt. Außerdem können Sie Ihre Unconscious Bias überlisten. In ihrem Ted Talk „How to Outsmart Your Own Unconsious Bias“ identifiziert Valerie Alexandra drei Ansätze, um die Wirkungsweise der unbewussten kognitiven Verzerrungen zu untergraben: https://www.youtube.com/watch?v=GP-cqFLS8Q4&feature=emb_title


Quellen:
https://www.anti-bias.eu/wissen/definitionen/unconsciousbias-definition/
https://www.anti-bias.eu/wissen/biases-von-a-z/
https://asana.com/de/resources/unconscious-bias-examples
https://www.mckinsey.com/featured-insights/diversity-and-inclusion/women-in-the-workplace
Peturson, E. D., Cramer, K. M., & Pomerleau, C. M. (2011). Attribution errors and gender stereotypes: Perceptions of male and female experts on sex-typed material. Current Research in Social Psychology.

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