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Was wirklich wirkt: Effektive HR-Maßnahmen für mehr Frauen in Führung

von redaktion

Entlang des Employee Lifecycle zu mehr Gender Equity

Wer über Milliarden und Modernisierung spricht, muss auch (Gender-)Diversität im Management mitdenken. Das Foto vom Investitionsgipfel im Juli 2025 1, auf dem zwischen einer Reihe von Spitzenmanagern und Politikern nur zwei Frauen zu sehen sind, spricht Bände: Im deutschen Topmanagement gibt es noch viel zu tun. Laut einer aktuellen Studie des „Frauen in die Aufsichtsräte e.V.“ liegt der Frauenanteil in Vorständen 2025 bei gerade einmal 20,2%. 2

Doch Vielfalt in Führung bedeutet mehr als einzelne Frauen in Spitzenpositionen zu bringen. Wenn sie dort als „Aushängeschilder“ für ihr Geschlecht wahrgenommen werden – ein Phänomen, das als Tokenism bekannt ist – verschärft das das Gefühl von Ungleichheit, erhöht Stress und fördert Wechselbereitschaft. Laut einer Metaanalyse von Gierke et al. (2024) ist Tokenism dabei nicht nur ein kulturelles, sondern vor allem ein strukturelles Problem – und damit ein Beleg dafür, dass organisationale Kontextfaktoren auf dem Weg zu mehr Frauen in Führung maßgeblich entscheidend sind. 3

 

Der Employee Lifecycle: Fünf Phasen mit Potenzial

Die Autor:innen betrachten in ihrer Analyse den gesamten Employee Lifecycle (ELC) von der Einstellung bis zur langfristigen Bindung. Anders als viele bisherige Studien, die fast ausschließlich die Rekrutierungsphase betrachtet haben, analysieren die Autorinnen alle vier Phasen, denn jede bietet Chancen, Gleichstellung gezielt zu fördern: Recruitment & Selection, Learning & Development, Performance Appraisal, sowie Reward & Retention. Um die Bedeutung organisationaler Kontextfaktoren auf dem Weg zu mehr Frauen in Führung deutlich zu machen, fügen Gierke et al. eine weitere Phase hinzu: das Organisational Setting.

Sie halten fest, dass Maßnahmen auf struktureller, kultureller und individueller Ebene je nach ELC-Phase ineinandergreifen müssen, damit Frauen nicht nur den Sprung in Führungspositionen schaffen, sondern dort auch langfristig bleiben.

 

Warum gender-neutrale Maßnahmen oft nicht genügen

Gender-neutrale Maßnahmen ermöglichen gleiche Rahmenbedingungen, gleichen aber bestehende Nachteile nicht automatisch aus. Deshalb braucht es gender-sensible Maßnahmen, wie etwa Mentoringprogramme für Frauen in männerdominierten Branchen, Workshops zu weiblicher Führung oder das Überwachen der Geschlechterverteilung in Schlüsselpositionen. Wichtig ist, diese gezielte Förderung so zu gestalten, dass keine neue Stereotypisierung entsteht.

 

Welche konkreten Maßnahmen können entlang des ELC ergriffen werden?

Recruitment & Selection: Den Einstieg gestalten

Standardisierte Auswahlprozesse reduzieren unbewusste Vorurteile und schaffen faire Chancen. Auch eine strategische Personalplanung kann den Einstieg für Frauen in Führungspositionen gezielt erleichtern. Dazu zählt auch, dass harte Zielvorgaben für Neubesetzungen festgelegt werden, um das Geschlechtergleichgewicht herzustellen und auch Tokenism entgegenzuwirken. Gendergerechte Sprache in Stellenausschreibungen wirkt darüber hinaus nachweislich positiv auf potenzielle Bewerberinnen. Studien zeigen, dass Frauen geringere Bewerbungsabsichten haben, wenn männliche Recruiter (tatsächlich beeinflusst das Geschlecht des Recruiters die Wortwahl) Anzeigen mit generisch maskuliner Sprache nutzen – insbesondere, weil sie geringere Zugehörigkeit und Erfolgschancen erwarten. Dieser Effekt entfällt, wenn es sich um eine weibliche Recruiterin handelt oder die Sprache weniger stereotyp ist. Das Bewerbungsverhalten von Männern wird davon nicht beeinflusst. 4

Learning & Development: Karrierechancen ausbauen

Mentoring- und Sponsoringprogramme zählen zu den wirksamsten Maßnahmen, um Frauen in Führung zu bringen und sie dort zu stärken. Sie fördern nicht nur fachliche Kompetenz, sondern such Selbstvertrauen, Sichtbarkeit und den Zugang zu weiblichen Netzwerken. In männerdominierten Bereichen wirken sie besonders stark, wenn das Mentoring durch männliche Führungskräfte erfolgt und mit fairer Vergütung sowie wahrgenommener Karrierezufriedenheit einhergeht.5 Ergänzend helfen Netzwerktrainings und sichtbare weibliche Vorbilder, Selbstwirksamkeit und Aufstiegsambitionen zu stärken. Fehlt es an ihnen, kann das gegenteilige Effekte haben. 6

Performance Appraisal: Faire Bewertungen ermöglichen

Transparente und klar definierte Beförderungskriterien machen Leistungsbeurteilungen nachvollziehbar und reduzieren subjektive Verzerrungen. Sie sorgen dafür, dass Leistungsbeurteilungen neutraler und freier von subjektiven Verzerrungen sind. Auch angepasste Beförderungsprozesse, wie etwa Opt-out-Beförderungspools, in denen alle für die offene Position grundsätzlich qualifizierten Mitarbeitenden automatisch berücksichtigt werden, sofern sie nicht aktiv ablehnen, senken strukturelle Hürden. 3

Reward & Retention: Talente halten

Faire Gehaltsstrukturen und flexible Arbeitsmodelle, die Care-Verpflichtungen berücksichtigen, stärken die Bindung und erleichtern die Vereinbarkeit von Führung und Privatleben. Auch nicht-monetäre Anerkennung wie verantwortungsvolle Projekte kann Motivation und Verbleib sichern. 3 Studien belegen daran anknüpfend, dass sinnstiftende Arbeitsaufgaben das Zugehörigkeitsgefühl zur Organisation und das Engagement steigern. 7

Organisational Setting: Kultur und Struktur prägen den Erfolg

Das Organisational Setting bildet den Rahmen für alle anderen Phasen – und ist deshalb laut Gierke et al. (2024) so entscheidend. Eine inklusive Unternehmenskultur, die Vielfalt in Führung sichtbar wertschätzt, fördert den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen. Flache Hierarchien und transparente Aufstiegspfade machen Karrierewege planbarer und attraktiver.

 

Echte Gleichstellung in Führung gelingt also nur, wenn Maßnahmen entlang des gesamten ELC verzahnt werden und alle Phasen und Ebenen betreffen. Es sind nicht einzelne Aktionen, sondern strategisch koordinierte Interventionen, die Change-Prozesse möglich machen – und langfristig für vielfältige und zukunftsfähige Führungsteams sorgen.

 

 

QUELLEN:

1 Investitionsgipfel, Übersicht: https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/investitionsgipfel-kanzleramt-unternehmen-100.html

2 FidAR-Studie: FidAR e.V. – Die Initiative für mehr Frauen in die Aufsichtsräte: Pressemitteilung zum FidAR Forum 2025

3 Gierke, L.A.; Schlamp, S.; Gerpott, F.H. (2024). Which organisational context factors help women to obtain and retain leadership positions in the 21st century? A systematic review and research agenda for human resource management. Human Ressource Management Journal.

4 Hentschel, T.; Braun, S.; Peus, C.; Frey, D. (2020). Sounds like a fit! Wording in recruitment advertisements and recruiter gender affect women's pursuit of career development programs via anticipated belongingness.

5 Taiyi Yan, T., Tangirala, S., Vadera, A. K., & Ekkirala, S. (2022). How employees learn to speak up from their leaders: Gender congruity effects in the development of voice self-efficacy.

6 Ramaswami, A.; Dreher, G.F.; Bretz, R.; Wiethoff, C. (2010): Gender, mentoring and career success: the importance of organizational context.

7 Allan B.A. (2017): Task significance and meaningful work: A longitudinal study. Jounal of Vocational Behavior, Vol. 102, p. 174-182.